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Das Mindeshaltbarkeitsdatum ist nicht viel mehr als ein grober Richtwert. „Öko-Test“ hat jetzt ermittelt, dass viele Kochschinken noch vor Ende der Haltbarkeit teils stark mit Keimen belastet sind. Wie aussagekräftig ist die Angabe also?
Auf das Mindeshaltbarkeitsdatum ist kein Verlass. Das hat eine Untersuchung von „Öko-Test“ gerade erst wieder unter Beweis gestellt. Die Analyse von 14 abgepackten Kochschinken hat den Testern zufolge gezeigt, dass die Produkte zum Ende der Mindesthaltbarkeit oft teils stark mit Keimen belastet ist. Von der Genießbarkeit ganz zu schweigen. Mitunter hätten die Produkte gar einen unangenehmen Geruch entwickelt. Sowohl herkömmliche als auch Bioprodukte hätten schlecht abgeschnitten.
Bei den beanstandeten Keimen handelte es sich „Ökotest“ zufolge großteils um Milchsäurebakterien, die zwar keinerlei Krankheiten auslösen, den Schinken aber ungenießbar machen. Allerdings wirft das die Frage auf: Wie aussagekräfitg ist das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) überhaupt?
Viele Lebensmittel werden aus Unsicherheit nur halb verzehrt und dann schweren Herzens weggeschmissen. Rund 400 Euro pro Haushalt und Jahr landen laut Gesellschaft für Konsumforschung auf diese Weise in der Tonne.
Dabei sind viele Lebensmittel auch nach Ablauf des MHD noch genießbar. „Das Mindesthaltbarkeitsdatum legt der Hersteller fest“, erklärt Doris Gräfe von der Verbraucherzentrale NRW. Es markiert den Zeitraum, in dem er dafür garantiert, dass das verpackte und ungeöffnete Lebensmittel bei sachgerechter Lagerung alle spezifischen Eigenschaften wie Geruch, Geschmack und Nährwert behält und nicht verdorben ist. „Früher neigten Hersteller dazu, das MHD zu strecken, um die Konkurrenz auszustechen“, weiß Gräfe. „Kunden bevorzugen schließlich Lebensmittel, die länger haltbar sind.“ Doch diese Mentalität sei heute vorbei, die Firmen fürchten sich eher vor Reklamationen.
Es kommt nicht immer auf Tage an
Wie lange etwas seine spezifischen Eigenschaften behält und ob das auch nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum noch so ist, hängt vom Lebensmittel ab. „Nahrungsmittel, die bis zu drei Wochen haltbar sind, also etwa Milchprodukte, sind in der Regel ungeöffnet noch einige Tage über dem MHD genießbar“, erklärt Gräfe. Eine Milch, die innerhalb des MHD geöffnet wurde, kann zwar schon ein, zwei Tage nach dem Stichtag schlecht sein. Geschlossen kann sie aber sogar eine Woche über dem Datum noch gut sein. Joghurt hält aufgrund der Milchsäurebakterien noch länger - das saure Milieu ist nicht nach dem Geschmack anderer Mikroorganismen und Schimmelpilze. Bei Lebensmitteln, die länger als drei Monate haltbar sind, Getränke oder Tiefkühlprodukte etwa, wird das MHD nur noch in Monat und Jahr angegeben.
„Dementsprechend kommt es hier auch nicht auf Tage an“, weiß Doris Gräfe. Diese Produkte sind unter Umständen sogar einen Monat länger als angegeben in Ordnung. Bei Konserven schließlich wird nur noch das Jahr angegeben. Steht darauf: „Haltbar bis 2010“ kann der Inhalt auch Anfang 2011 noch gegessen werden. Ist aber der Deckel aufgebläht, sollte die Konserve weggeschmissen werden.
Doris Gräfe rät, kürzlich abgelaufene Lebensmittel nach Veränderungen zu untersuchen: Gibt es Verfärbungen? Schimmel? Unangenehmen Geruch? Ist das Lebensmittel schleimig? Wenn ja, oder wenn es Zweifel an der Frische des Produktes gibt, sollte sich der Verbraucher von ihm trennen. Keine Frage ist dies bei Produkten mit Verfallsdatum: Anders als das Mindesthaltbarkeitsdatum ist dieses keineswegs flexibel. Nach Ablauf des Verfallsdatums darf das Produkt weder verkauft noch gegessen werden. Dies gilt vor allem für klein verarbeitetes Fleisch wie Hack oder Bratwurst. „Solche Lebensmittel müssen zudem oft kühler als sieben Grad gelagert werden“, warnt Gräfe. Viele normale Haushaltskühlschränke geben solch gefrierpunktnahe Temperaturen jedoch gar nicht her. Solche Produkte sollte man am besten gleich am selben Tag essen, sie eignen sich nicht für eine längere Lagerung.
Haltbarkeit mit Strom messen
In technischer Hinsicht allerdings könnte sich in punkto Lebensmittelsicherheit bald einiges ändern: So haben zwei Hausgerätehersteller aufgrund der andauernden Gammelfleisch-Problematik Wissenschaftler von TU Chemnitz damit beauftragt, Kühlschränke zu entwickeln, die das Alter von Frischfleisch erkennen sollen. Olfa Kanoun, Expertin für Mess- und Sensortechnik an der TU, stellte kürzlich eine praktikable Methode vor, bei der am Fleisch eine Wechselspannung angelegt wird. Ist das Fleisch alt, platzen die Zellen, der Strom wird umgeleitet und dem Verbraucher wird signalisiert: Das Fleisch ist ungenießbar.
„Das Verfahren wäre auch für andere Lebensmittel, etwa Käse oder Obst, denkbar“, erklärt Kanoun. Bislang habe sie jedoch ausschließlich mit am Fleisch angeschlossenen Elektroden experimentiert. Die Methode ist also noch nicht serienreif. Auf dem Markt sind dagegen bereits Kühlgeräte mit dynamischer Kühlung: Diese sorgt dafür, dass es im Gegensatz zur herkömmlichen, statischen Kühlung, überall im Gerät gleich kalt ist. Auf diese Weise entfallen die sonst obligatorischen Lagerungsregelungen, nach denen besonders empfindliche Speisen wie Fleisch und Wurst in den unteren, kälteren Teil des Kühlschranks gehören, während etwa Weichkäse und Joghurt im oberen Bereich stehen können. (jam/tis/afp)