Listerienskandal - Weitmaschige Lebensmittelkontrolle
Quelle: www.focus.de [1]
Sechs Menschen sind durch mit Listerien verseuchten Käse gestorben. Die gesetzlichen Kontrollen der Ware wurden zwar durchgeführt. Doch sie sind nicht effektiv.
Die Käsesorten „Hartberger Bauernquargel“ und „Harzer Käse Reinhardsdorf“ von der österreichischen Firma Prolactal haben vermutlich sechs Todesfälle durch Listeriose in Österreich und Baden-Württemberg verursacht. „Die zuständigen Gesundheitsbehörden haben bei ihren Analysen entdeckt, dass alle mit dem gleichen Bakterienstamm infiziert waren“, erklärt Edwin Ernst vom Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum Baden-Württemberg. Aufwendige Recherche fand die gemeinsame Infektionsquelle: Es war der österreichische Käse, gekauft bei Lidl. Die gesamten Chargen mit kontaminierter Ware wurden sofort entfernt. Listerien können nämlich, vor allem in großer Menge, für Schwangere und Patienten mit geschwächter Immunabwehr lebensgefährlich sein. Auch die Toten im aktuellen Lebensmittelskandal waren Senioren mit schweren Vorerkrankungen. Normalerweise treten Listerien vor allem in Rohmilchprodukten auf. Die genannten Käsesorten sind unter anderem aus Quark von deutschen Bauern hergestellt. Alle Milchprodukte unterliegen dem Lebensmittelgesetz und seinen Kontrollen. „Das ist EU-weit gleich und sieht zwei Prüfungsschritte vor“, erklärt Edwin Ernst.
Stichproben im kleinen Umfang
Der erste Schritt befasst sich mit der Prüfung durch den Hersteller, vor Auslieferung der Ware. Pro Charge wählt er fünf Käsepäckchen aus. Jeweils 25 Gramm werden analysiert. Dies übernimmt bei Prolactal das Hygienikum in Graz, ein Institut für Mikrobiologie, das auf Lebensmittel- und Krankenhaushygiene spezialisiert ist. Wenn nur eine der Proben eine einzige Listerie ausweist, wird die gesamte Charge aus dem Verkehr gezogen. Das Problem: „Für so große Aufträge wie die von Lidl kann eine Charge aus 100 000 Käsepäckchen bestehen“, kritisiert Edwin Ernst. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass mit Listerien verseuchter Käse dabei übersehen wird.
Der zweite Kontrollschritt geht von den Lebensmittelprüfstellen des Bundeslandes aus, in denen das Produkt ins Regal kommt. Die staatlichen Prüfer führen Stichproben durch. Vorgeschrieben sind jährlich mindestens fünf Proben pro 1000 Einwohner. Beispielsweise für Baden-Württemberg ergibt das 55 000 jährlich. In dieser zweiten Prüfung gilt der gesetzliche Grenzwert von 100 Listerien pro ein Gramm Ware. Denn bis zu dieser Menge gelten die Bakterien als relativ ungefährlich. In dem beschlagnahmten Käse sei jedoch dieser Grenzwert gar nicht erreicht worden, verteidigt Unternehmenssprecherin Rosemarie Schuller Prolactal. Die Firma hätte die Ware nicht entfernen müssen, aber das vorsorglich getan. Noch dazu handle es sich wahrscheinlich um einen bisher unbekannten Bakterienstamm. Derzeit werden Proben in staatlichen Laboratorien untersucht, genaue Ergebnisse gäbe es erst in den nächsten Tagen. (Die Nulltoleranz für den Hersteller und der gemäßigte Grenzwert im Verkauf resultieren übrigens daraus, dass sich diese Bakterienart vor allem während langer Lagerungszeit vermehrt.)