Lebensmittelkontrolleure stöhnen unter der Last der Bürokratie
Quelle: ALTMÜHL-BOTE, GUNZENHAUSEN
GUNZENHAUSEN (fa) – Die 360 Lebensmittelüberwacher in den bayerischen Städten und Landkreisen klagen, von der Bürokratie «zugemüllt» zu werden. Auf der Landestagung am Freitag in der Stadthalle Gunzenhausen erklärte Landesvorsitzender Michael Förtsch: «Wir verbringen mehr Zeit vor dem Bildschirm als unterwegs, die Lebensmittelüberwachung aber findet vor Ort statt und nicht vor dem Computer.»
Der Chef des Verbands der Lebensmittelkontrolleure (VLK) äußerte sich zu den aktuellen Problemen vor einer Reihe namhafter Repräsentanten. Die Parlamentarische Staatssekretärin im Innenministerium, Melanie Huml, war zugegen, die Landtagsabgeordneten Christa Naaß (SPD), Florian Streibl (FW) und Claudia Stamm (Grüne) bekräftigten die Forderungen der Kontrolleure. Unter den Gästen waren auch Dr. Andreas Zapf, der Präsident des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, der VLK-Bundesvorsitzende Martin Müller, die Landesvorsitzenden aus Berlin-Brandenburg, Sachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hessen sowie Fritz Ebert vom Hotel- und Gaststättenverband Mittelfranken, Innungsobermeister Willi Böbel von den Metzgern in Mittelfranken-Süd und Dr. Hans Moser, der 3. Landesvorsitzende des Verbands der beamteten Tierärzte Bayerns.
Eines haben die Lebensmittelskandale der letzten Jahre nach Ansicht von Michael Förtsch bewirkt: «Über die Privatisierung der Lebensmittelkontrolle redet niemand mehr.» Er sieht den Platz seiner Leute an der «Front», aber sie müssen sich immer zeitaufwendiger mit bürokratischen Dingen herumschlagen. Deshalb verlangt Förtsch eine personelle Aufstockung der Lebensmittelkontrolleure und eine bessere Besoldung. Probleme wird es seiner Meinung nach in personeller Hinsicht geben, denn 34 Prozent aller Kontrolleure gehen in den nächsten Jahren in den Ruhestand. Ausgebildet wird aber nach der gegenwärtigen Praxis nur dann ein neuer Kontrolleur, wenn einer ausscheidet.
Eine personelle Aufstockung um 30 Stellen hält auch die SPD-Politikerin Christa Naaß für angebracht. Die Staatsregierung habe einen entsprechenden parlamentarischen Vorstoß aber abgelehnt. Der Beförderungszeitrum von 15 bis 18 Jahren sei einfach zu lang. Obgleich mit der Verlagerung der Zuständigkeit vom Bund auf die Länder mancherlei Erwartungen verbunden gewesen seien, habe sich nicht viel verändert. Ihre Forderung: «Der Flussmeister und der Lebensmittelkontrolleur müssen gehaltsmäßig gleich behandelt werden.» Die Beamten im Freistaat dürften nicht die «Sparbüchse der Nation» sein. Es dürfe keinesfalls einen weiteren Rückzug des Staats aus der Lebensmittelkontrolle geben.
Seit Gammelfleischskandal sensibel
Dass die Lebensmittelsicherheit seit dem Gammelfleischskandal und der BSE-Krise die Verbraucher sensibilisiert hat, betonte Staatssekretärin Melanie Huml (CSU). Es gebe hohe Erwartungen an die staatliche Lebensmittelüberwachung. Der Verbraucher dürfe nicht getäuscht werden. Die Politikerin vesprach: «Wir haben keine Tolerenz gegenüber unlauteren Machenschaften oder gar kriminellen Handlungen. Den schwarzen Schafen bleiben wir auf der Spur und wir lassen es nicht zu, dass einige wenige die Qualität bayerischer Lebensmittel in Vorruf bringen.» Sie forderte die Wirtschaft auf, ein eigenes Qualitätsmanagementsystem aufzubauen. Für sie steht nämlich fest: «Für die Lebensmittelsicherheit ist der Lebensmittelunternehmer verantwortlich und nicht die Überwachung.» Der Schutz der Verbraucher vor Täuschung und Irreführung verlange nach einer klaren Kennzeichnung der Lebensmittel. Huml nannte ein Beispiel für falsche Bezeichnungen: die ESL-Milch. Sie werde oftmals als «länger frisch» gekennzeichnet und somit gewinne der Verbraucher den Eindruck, dass es dabei wirklich um Frischmilch gehe. In Wirklichkeit sei es ein Produkt zwischen Frischmilch und H-Milch. Humls Forderung: «Die Kennzeichung muss aufklären, sie darf nicht verwirren und sie muss verständlich sein.»
Ihrer Meinung nach hat es in Deutschland noch nie so hochwertige und sichere Lebensmittel gegeben wie heute. Bayern sei wiederum Spitze bei den Qualitätsprodukten. So wurden heuer 70000 Proben untersucht und nur knapp 400 wegen gesundheitlicher Risiken beanstandet, das entspreche einer Quote von nur 0,6 Prozent.
Überwachung mit «Tizian»
Die Lebensmittelkontrolleure sind für die Staatssekretärin «Manager für Lebensmittelsicherheit», auch «Krisenmanager» und das Berufsbild mit der Bezeichnung «Lebensmittelpolizei» wohl am treffendsten umschrieben. Seit der Einführung des Qualitätsmanagementssystems und des flächendeckend eingeführten EDV-Programms «Tizian» entspreche die Lebensmittelüberwachung in Bayern den modernen Anforderungen und Erwartungen der Zeit. Gerade die Einbindung der Kontrolleure habe die Knackpunkte des Systems offenbart. Lobend äußerte sich Huml zur interdisziplinären Zusammenarbeit der Veterinäre und Kontrolleure.
Nicht die Vorgaben der bayerischen Gesetze, sondern die «Brüsseler Bürokratie» machten den Kontrolleuren zu schaffen, äußerte die Vertreterin des Freistaats. Sie nannte die Lebensmittel-Basisverordnung, das Hygienepaket und die Health Claims. Huml verlangt mehr Spielraum für die Länder und eine Entflechtung der Bürokratie auf europäischer Ebene.
In ihren Grußworten ließen Regierungspräsident Dr. Thomas Bauer, Landratsvize Robert Westphal und Bürgermeister Joachim Federschmidt erkennen, dass die Bevölkerung Vertrauen in die Arbeit der Lebensmittelkontrolleure habe.